Von schmelzendem Plastik und alten Vokabeltests: Fehlschlüsse im Alltag

Ein studentischer Gastbeitrag von Viktoria

Als mein Bruder zu Besuch bei mir war, stellte er einen Plastikbecher auf meinen Herd. Ich sagte daraufhin zu ihm er solle diesen bitte herunternehmen, denn der Herd könnte ja noch warm sein und das Plastik zum Schmelzen bringen. Daraufhin erwiderte mein Bruder, dass das ja nicht ginge, denn mein Herd sei ja ausgeschaltet. Das war zwar korrekt, alle Einstellungen standen auf null, dennoch hätten die Herdplatten noch warm sein können – ich hatte  kurz vorher etwas gekocht. Logischerweise habe ich den Herd danach ausgemacht, aber die Platten waren noch etwas warm.

Diese Situation beschreibt einen typischen Fehlschluss, die fallacia consequenits. Hier wird ein Schluss von der Folge (consequentis, die Konsequenz) auf die Bedingung, das Antezendenz, gezogen. Mein Bruder hat sich auf die Logik bezogen „Wenn die Platten kalt sind, dann steht der Herd auf null. Der Herd steht auf null. Also sind die Platten kalt“. Diese falsche Logik kann Plastik zum Schmelzen bringen.

Aber die sind so!

Eine weitere Art des Fehlschlusses ist der ökologische Fehlschluss. Bei diesem wird von der Gruppenebene, der so genannten Aggregatebene, auf eine einzelne Person geschlossen. Ein solcher Fehlschluss begegnete mir beim Basketball. Die Schwester einer Freundin spielt in der Regionalliga und ist eine der größten Spielerinnen ihres Teams mit 1,85 m bei einem Größendurchschnitt von 1,73 m. Ich wurde zu einem Spiel mitgenommen und kannte einige Regeln nicht, weshalb ich viel nachfragte und schnell dazu lernte. Neben den normalen Regeln erzählte mir meine Freundin, dass die größeren Spieler (ca. ab 1,80 m) durchschnittlich doppelt so viele Rebounds (wenn der Ball nicht in den Korb geht, runter fällt und abgefangen wird) holen wie die kleineren Spieler. Das wurde wohl in der NBA (Amerikanische Basketball Liga) herausgefunden. Ihre Schlussfolgerung war, dass ihre Schwester deshalb doppelt so viele Rebounds holen würde wie die kleinste Spielerin des Teams. Jedoch war dies nicht der Fall. Ihre Schwester holte zwar mehr Rebounds als die kleinste Spielerin – aber nicht annähernd doppelt so viele.

Ist ist nicht sollen…

Mit meiner Tante habe ich eines Abends einen naturalistischen Fehlschluss, dem Schluss vom Sein auf das Sollen, diskutiert. Ich erzählte ihr von meinem Studium und dass ich nun gelernt hatte, dass stupides Auswendiglernen und die alten Vokabeltests nicht mehr als sinnvoll erachtet werden[1]. Daraufhin meinte meine Tante, dies sei unsinnig, bei ihr früher wurden in der Schule nur solche Vokabeltests durchgeführt und das Lernen bestand überwiegend aus dem Auswendiglernen und sie beherrsche die Fremdsprache heute noch einwandfrei. Deshalb solle auch weiterhin so gelehrt werden. Ich bemühte mich zu erklären, dass sich dies in Forschungen als wenig sinnvoll gezeigt hatte. Natürlich kann es sein, dass in zehn Jahren gesagt wird, dass auch diese Forschungsergebnisse nicht perfekt waren. Dennoch war die Auffassung meiner Tante ein naturalistischer Fehlschluss: Nur weil etwas ist, heißt das nicht, dass es auch so sein sollte.

… und sollen ist nicht sein

Das gilt auch anders herum: Vom „Sollen“ kann nicht auf das „Sein“ geschlossen werden. „Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.“ (§211 (1), StGB) ist in diesem Fall die „Sollen“ Aussage. Jedoch heißt das nicht sofort, dass auch jeder Mörder tatsächlich eine lebenslange Freiheitsstrafe bekommt. Wer dieses „Sein“ als Tatsache sieht, zieht einen Fehlschluss. Denn es gibt Mörder, die nie gefasst werden, trotzdem Mörder sind, jedoch keine lebenslange Freiheitsstrafe bekommen. Außerdem gibt es auch Mörder, die eine geringere Strafe zugesprochen bekommen, obwohl sie laut des StGB als Mörder definiert werden.

Keine Fehlschlüsse – manchmal harmlos, manchmal fatal

Es gibt aber auch Schlüsse, wie den Syllogismus, die korrekt sind. Ein Beispiel begegnete mir in meiner Wohnung. Meine Wohnung besteht aus drei Räumen (Bad, Küche, Zimmer), die alle drei verbunden sind. Wenn ich ein Fenster aufmache, wird die gesamte Wohnung kalt. Daraus schließe ich, dass auch meine Küche kalt wird. Diese „Aristotele’sche Logik“ kommt immer wieder im Alltag vor. Es sind logische Schlussfolgerungen, die einen Sinn ergeben, und in sich korrekt sind.

Seitdem ich auf der Uni bin, fahre ich jeden Tag mit der gleichen S-Bahn. Innerhalb eines Semesters sind drei S-Bahnen über fünf Minuten zu spät gekommen, weshalb ich den Regionalzug verpasste und zu spät kam. Deshalb denke ich, dass ich im nächsten Jahr wieder drei Mal zu spät kommen werde. Dieser Schluss ist nicht an sich korrekt, aber es ist auch kein Fehlschluss. Es handelt sich um einen so genannten statistischer Induktionsschluss. Es kann sein, dass ich im nächsten Semester wieder drei Mal zu spät kommen werde, aber nicht alle Verspätungen müssen durch die S-Bahn begründet sein. Dennoch besteht die Möglichkeit. Genauso wahrscheinlich kann es aber auch sein, dass ich häufiger oder seltener zu spät kommen werde.

Ein ganz aktueller und in diesem Zusammenhang sehr gefährlicher Schluss ist der enumerative Induktionsschluss. Er begegnet einem im Fernsehen, Internet oder auf der Straße. Die Debatte über Flüchtlinge begegnet einem überall und vor allem negative Meinungen über die Geflüchteten. Denn wenn ein Geflüchteter Anlass für eine negative Schlagzeile ist, wird dies innerhalb kürzester Zeit auf alle Geflüchteten übertragen. Wird in einem Ort von einem Geflüchteten zum Beispiel etwas geklaut, ziehen viele Menschen in anderen Ortschaften einen enumerativen Induktionsschluss und sagen, dass auch sie nun besser aufpassen müssten. Dies ist ein negatives Beispiel dieser Art eines Schlusses.

Genau diese Beispiele ermahnen dazu, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.

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[1] Bei diesen alten Vokabeltests wird das deutsche Wort vorgegeben und das Wort in der Fremdsprache soll wiedergegeben werden.

Zu Autorin: Viktoria studiert Lehramt für die Primarstufe mit den Fächern Englisch und Mathematik. In ihrer Freizeit macht sie viel Sport und liest zum Ausgleich gerne.

Hier gibt es mehr Informationen zum Hintergrund der studentischen Gastbeiträge

Hier gibt es mehr zu Schlussfolgerungen

Hier gibt es Schlüsse, die logisch immer gültig sind


2 Gedanken zu “Von schmelzendem Plastik und alten Vokabeltests: Fehlschlüsse im Alltag

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